Bavarirun 2013

Redaktion Neubadmagazin, 07.12.2013

G'schafft!zoom
G'schafft!

Warum läuft ein normal begabter Mensch eine 42 Kilometer lange Wegstrecke, wenn nebenher Autos, Trams und Busse fahren? Wieso diese Strapazen vor, während und nach dem Marathon auf sich nehmen? Nun, da gibt es wahrscheinlich mindestens so viele Antworten, wie Läufer.

Bereits auf dem Weg zum Startblock zeigen sich die unzähligen Läufertypen, die sich merklich voneinander unterscheiden. Etwas hektisch im Blick tauchen die Vorbereiter  mit hochtechnischen Riesenuhren am schmalen Handgelenk auf. Sie sind beim Einwärmen, haben aber bereits diesen steifgefrorenen Digitalblick im Gesicht. Windstärke, Abdrift, Kurven, Gelände, Zwischenzeit... alles ist in den Handcomputer fein säuberlich eingegeben. Wehe, ein Genussläufer wie ich steht da im Weg... ich will's nicht ausprobieren.

Gleich anschliessend die etwas entspannteren Ich-hab-noch-was-vor-nach-dem-Lauf Managertypen. Topmodische kompressions- und kompromisslose Kleidung am halbgestählten Leib und windschlüpfrige Frisur haben den Blick bereits auf's Ziel gerichtet. Die Frisur muss sitzen, das Lächeln siegessicher und blendamed direkt in der Kamera ankommen. Im Mittelfeld dann die Zumuter Clique, die bereits einige Läufe inklusive Halbmarathons hinter sich gebracht haben. Nun winkt der grosse Wurf mit doppelter Strecke. Endlich mal was Ganzes: ein Marathon ganz für sich alleine. Das muten sie sich mal zu, äusserlich stehen aber dennoch ein paar Zweifel im Gesicht.

Lustig für die etwas Langsameren während des Laufs sind die Kommunikatoren, die auch noch bei Kilometer dreissig fleissig diskutierend an einem vorbeiziehen. Wenn man selbst bereits der eigenen Zunge nachhängt, sind diese lauthalsen Läuferinnen und Läufer die reinste Provokation. Woher nehmen die nur all die Luft? Natürlich habe ich mal nachgefragt, damals beim Venedigmarathon. Die Antwort dieser beiden plappernden Amerikanerladys: «We talk because we don't wanna be bored for 5 hours».

Nun, dann kommt gegen Ende von allem meine Kategorie der Genussläufer um die Ecke. Die Uhr spielt nur eine untergeordnete Rolle, denn da steht nur die Maximalzeit drauf, in welcher diese Strecke beendet sein muss. Sonst droht Disqualifikation. Diese Kategorie hat so einige Vorteile zu bieten. Die Joggingklamotten und -schuhe anzuziehen macht für uns am meisten Sinn, denn diese werden am längsten benutzt. Zudem ist das Feld vorne, nebendran und vor allem hinten völlig übersichtlich. Einfach, weil da praktisch niemand mehr ist. Oft nicht mal mehr Zuschauer. Aber von den wenigen Schaulustigen bekommen die Genussläufer viele Tipps und gut gemeinten Zuspruch. Oft auch mit zweifelndem Unterton, ob wir das auch wirklich noch überleben würden. Aber die Geste ist sympathisch.

Die Erleichterung ,wenn das Ziel greifbar ist - vor allem für die Füsse - kann kaum beschrieben werden. Ich versuch's trotzdem. Die ersten Kilometer sind noch die reine Körperleistung und erinnern an das Training während des Jahres. Zwanzig Kilometer? Piece of Cake. Bei Kilometer fünfundzwanzig meldet der Körper: «Was isch loos? Mir längt's!». Gut, wenn man ignoratorisch talentiert ist. Denn jetzt wird auf alles, nur nicht mehr auf den Körper gehört. Oder höchstens im Notfall. Nun kommt der Kopf zum Zug - als Sololäufer quasi. Da werden Bilder der Zukunft produziert. Szenen ausgemalt, wie der Zieleinlauf sich anfühlen wird. Wie heiss die Dusche sein muss, um die brennenden Beine, Arme und Schultern zu lockern. Wie gross das Steak sein darf und das kühle Bier schmecken wird. Wie die Schönsten aller Münchner Madel im Ziel warten und mir zärtlich und entzückend lächelnd die Medaille über den verschwitzten Hals streifen werden...
Fazit: es ist alles - OK fast alles - genauso eingetroffen, als wir im Olympiastadion eingetroffen sind.

«'lujaah, sag y, lujaaah!»

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