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Glück ist brüchig. Gläser auch.

Redaktion Neubadmagazin, 16.03.2015

Der Tag danach. Aufräumen und Putzen war noch in derselben Nacht erledigt. Aber am Sonntag nach dem 55-60-40-Geburtstags-Event sollen Gläser, Geschirr, Flaschen und die Geschenke im Waisenhaus abgeholt werden.

Als frisch gekürter Sechzigjähriger plane ich, nach einer oder zwei Mützen Schlaf, diese Aufräumaktion als Alleingang und höchst akribisch. Ich schreibe mir das Vorgehen auf einen Zettel, um wegen der möglichen Schläfrigkeit nichts zu vergessen. So weit so notiert. Das Warentaxi ist auf 18 Uhr bestellt, die Schlüssel vom Waisenhaus eingepackt, Geld auch und los geht's.

Sechs riesige Taschen mit benutzten Wein- und Prosecco-Gläsern stehen im Gang und riechen vor sich hin. Zwei Kisten Geschenke - WOW - stehen nur rum. Wärmeplatten und Weinkartons tun dasselbe. Der charmante ältere Chauffeur atmet beim Anblick des Transportgutes zweimal tief durch. Aber er lächelt und hilft. Dann ab zu meiner Wohnung im fünften Stock. Ohne Lift. Aber mit viel Licht.

Im Hauseingang türmen sich die Taschen und Kisten. Geschätzt sechsmal rauf und runter werde ich mich wohl vollbepackt bemühen müssen. Der Schweiss rinnt wohin immer es ihm passt. Die Sicht ist von den Schweissperlen getrübt. Die Stimmung bewegt sich langsam in dieselbe Richtung. So, die letzten drei Taschen mit Gläsern, dann ist Sonntag-Feier-Abend und Dusche angesagt.

Zwei Taschen aufs Mal - das ging vorher und geht auch jetzt, denke ich mir. Stock eins. Super. Stock zwei und drei ebenfalls. Der vierte Stock und die zweitoberste Stufe sind  anderer Meinung. Ich verheddere mich mit diesen blöden Stufen, bleibe mit dem linken Fuss hängen, stürze und lasse die eine Tasche los. Diejenige in Richtung dritter Stock natürlich. Geklirrte fünfhundert Gläser und zersplitterte zwanzig bewegen sich rollend und knirschend in Richtung Plattform Nummer drei. Beim zweiten Scheppern öffnet sich die Tür und meine freundliche Nachbarin staunt, erschrickt und meint: «Bisch wenigschtens Du OK?» Subito steht sie mit dem Staubsauger und ich mit Bäseli und Schüüfeli im Gang und betätigen uns als Tatortreiniger.

Sieben Jahre Glück für ein paar Scherben? In diesem Falle werden es gefühlte Siebzig Jahre werden. So produziert man Glück im Alleingang.

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