Wassergefallen

23.08.2015

Peter hat da eine Idee. Für sein Knie, meine Ferse und unseren New York Marathon 2015: Die Wasserfallenbahn. Nein, wir fahren da nicht rauf und runter und hoffen, dass der Höhenunterschied eine heilende Wirkung hätte. Das taten wir früher. Aber jetzt geht's schlicht, aber nicht sehr einfach um den Höhenwoller in Stufen. Einige Stufen. Und alle individuell und charakterfest...

Nein, wir sind noch keine Stufenlos. Im Gegenteil. Einige Stufen zwischen Felsen, Wasser, Moos und Bäumen warten auf uns. Wobei, die warten eigentlich immer. Nicht speziell auf uns. Aber diese Illusion kann motivierend sein, wenn man diese höchst eigenwilligen Stufen zu Gesicht bekommt. 

Ein Rinnsal - auch Bach genannt - verläuft von der Wasserfalle ganz ob runter ins Tal. Meist direkt unter oder gleich neben der Wasserfallen-Gondelbahn. Als kleines Gschänggli führt auch ein Weg mal rechts, mal links am Bach entlang. Vierhundert Meter in die Höhe und ein paar Kilometer Fussmarsch. Und Treppenzwang. 

Stufen aus Balken oder Brettern befestigt, in unterschiedlichen Winkeln und Weiten angeordnet führen am Bach entlang. Beide Knie und vor allem die Beine finden es anfangs zwar abwechslungsreich und bunt, die Schrittweite und -höhe stets unterschiedlich zu bewältigen. Aber diese Abwechslung führt nach kurzer Zeit zu Ermüdung. Aber vor allem wird die Konzentration des Besitzers dieser Knie und Beine gefordert. Denn der Weg ist steil. Enorm steil. Und führt konsequenterweise direkt nach oben. 

Je höher wir kraxeln und schnaufend steigen, umso bunter, erstaunlicher, abwechslungsreicher und höhenängstlicher wird die Aussicht. Gut, höhenängstlich bin nur ich. Peter war Bergsteiger und kennt «Höhenangst» nicht mal vom Hörensagen.

Eigentlich sollten wir diesen Weg hinauf joggen. Meint Peter. «Spinnsch?» denke ich. Aber früher hat er genau dies getan. Raufgejoggt und sich oben ein Panaché ausschenken lassen. Heute bergwandern wir einfach. Einfach geht es vor allem, weil mich Peter mit Kaffee und Kuchen lockt. Und das funktioniert immer noch.

Die Vegetation entlang dieses steilen, steinigen Weges nach oben ist umwerfend. Und so wunderbar einsam. Denn wir scheinen die Einzigen zu sein, die sich das heute diese Steilheit antun wollen. Herrlich plätschernd muntert mich der Bach auf und lässt die Müdigkeit vergessen. Nur einmal, als wir unter einem Felsvorsprung (ich hab's generell nicht so mit Vorsprung) vorbeiziehen, tauchen an einer Kurve plötzlich Stahlseile und Ketten auf. Die sind an der Felswand befestigt. Stahlseil und Ketten? Das war doch gestern Nacht...

Langsam drehe ich mich um... Auweia... da sind diese ausgetretenen Stufen, aber auch ein toll steiler Abstieg in fast freiem Fall im Angebot. Meinem Magen wird es schwummerig und meinem Mund trocken. Und die Knie zittern. Aha, Peter hat recht: Dieser Weg ist sehr gut für die Knie. Auch wenn diese gerade etwas Zirkus machen.

Der Weg ist geschafft, die Bergstation in Sicht und der Klettergarten davor extrem lustig. Also für mich als Zuschauer. Denn da klettern, hangeln und hecheln junge, dünne, dicke, lange und kurze Menschen an Seilen eingehakt durch Befestigungen in den Bäumen. Pinocchio wäre stolz auf eine solch talentierte Kletterfamilie an Stahlseilen. Es wird aus- und eingeklinkt, tarzanmässig die Bäume gewechselt und das Ganze mit viel Spass, wie es scheint. 

P.S. Der Kaffee und Kuchen hat sich in Panaché und Wurstsalat verwandelt.    

 

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