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Meilenfresser

10.05.2015

Meilenfresser

Für manche Mitmenschen ist schon die Vorstellung ein Greuel. 24 Stunden im Kreis zu laufen. Einfach so aus Spass und Dollerei? Oder Ehrgeiz? Ja, genau deshalb. Der Chinmoy 12+24-Stundenlauf war genau bis jetzt zwölf Uhr mittags.

Wer bereits beim Warten aufs Tram oder den Zug nervös wird, sollte sich diesen Peace-Run gleich aus dem Kopf schlagen. Auch wenn es weh tut. Die anderen mehr oder weniger sportlichen Menschen jeglichen Alters schrecken vor dieser Herausforderung nicht zurück.

Gestern mittags um zwölf sind die 24-Stundenläufer gestartet. Um Mitternacht dann die «nur» 12-Stundenläufer. Heute Morgen kurz nach Neun sieht die Ergebnistafel beeindruckend aus. Über 200 Kilometer hat die Nummer eins bereits hinter und noch drei Stunden Laufen vor sich. Daniel Schwitter aus Binningen, ein Ultramarathonläufer  der schnellen Klasse, ist auch noch unterwegs. Drahtig, kantig und zielsicher, wie man es von ihm gewohnt ist.

Die Linie an Läuferinnen und Läufer könnte unterschiedlicher nicht sein. Jede Art von Menschentyp ist hier unterwegs. Der Einzelkämpfer mit hautengem Dress sieht nur den Teer und das Ziel. Beifall von den wenigen Zuschauern interessieren ihn nicht.

Und da ist das Paar der Gattung «Leichtfüssler». Er ist muskulös, schlank und schnell und sie ist von einer gazellen-ähnlichen Statur und läuft leichtfüssig nebenher, um ihren Partner mal zu ziehen, mal zu schieben. Also mental betrachtet. Und sie wirkt, als ob sie den Boden gar nicht berühren würde.

Ergraute Männer mit dem «Ich bin ein alter Kämpfer»-Blick lassen sich nicht beirren, geniessen teils aber den Applaus und die Bravo-Zurufe. Ein Paar fällt besonders aus dem Rahmen. Beide tragen den Partnerlook in hellblau, sind eher untersetzt, aber kontinuierlich mit dem Reiz der Langsamkeit unterwegs. Er hat einen leichten gebeugten Rechtsdrall. Sie läuft auf gleicher Höhe, aber kerzengerade. Beide sind stur und zielbewusst auf der Strecke konzentriert.

Die Sri-Chinmoy 12+24-Stundenlauf ist nebst dem Distanzziel aber vor allem auch eine Herausforderung an die eigene Psyche. Ab wann beginnen sich die Läufer zu langweilen? Schliesslich ist der zwar schöne, grüne und abwechslungsreiche Ein-Kilometerparcours schlussendlich auch nur ein Viereck, das man wie automatisiert abläuft. Die einzige Unterbrechung ist im Start- und Zielbereich, wenn die Helfer den Kilometerstand notieren, Motivierungsrufe durch die Nacht senden. Und auf der Anzeigetafel die Topläuferinnen und Topläufer die Rangfolge und die gelaufenen Kilometer von Hand geändert werden. Keine Elektronik, kein Chip stört die Idylle. Alles noch goldenes Hand- und Fusswerk.

Was aber geht den Läufern während dieser 12 und 24 Stunden so alles durch den Kopf? Peter, der Neubadrunner-Coach, hat beide Läufe mehrere Male hinter sich gebracht und meint, dass in 24 Stunden das ganze Leben im Kopf durchforscht wird. Themen, Assoziationen, Ärger, Freude, Abenteuer und Probleme hat er in seinem Hirn hin und her geschoben, überlegt, verworfen und dabei einfach weiter gelaufen.

Also doch: Laufen ist eine Regenerierungsmaschine für Körper und Geist. Vielleicht sollte ich auch mal...? 


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