Morgestraicheleinhaite

Voller Stolz trägt der kleine Bub die rostrote Blaggedde am Revers seiner dicken Jacke. Voller Stolz trägt der grosse dicke Mann seine goldfarbene grosse Blaggedde am Goschdyym. Dazwischen liegen 55 Jahre. Und ein extremer Wechsel vom Zuschauerbub zum aktiven Fasnächtler.

Nie, aber wirklich nie, hätte er sich träumen lassen, einmal selbst am Morgestraich in Goschdyym und Larve ein Teil der Fasnacht zu sein. An der Spitze seiner Clique den Weg durch enge, wunderbare Gassen an der Basler Fasnacht zu bahnen. Ein Bubentraum ist wahr geworden. Mit 55 Jahren Verspätung. Aber immerhin. Als Bub mit seiner Bronzeblaggedde dachte er noch, dass Fasnächtler eine spezielle Berechtigung brauchen, von fasnächtlichem Geblüt abstammen müssten, mindestens einen Vater in einer Ehrenzunft zu haben, um ein Aktiver zu werden. Ein Bluttest über echtes Fasnächtlerbluet wäre ja das Mindeste. Aber als Muttenzer hat er da keine Chance. Als Räpplispalter oder Zeedelsammler vielleicht. Aber sonst?

Die Sicht ist eingeschränkt. Nicht aber das Herz. Gefühlte Millionen von Menschen und tonnenweise Räppli füllen alle Gassen und Plätze von und in Basel. Farbig, laut und grenzenlos fantasievoll sind die «Drey scheenschte Dääg», die Basel eben so anders wirken lassen. «Araabi, vorwärts… Marsch!» brüllt der Tambourmajor und schwingt dr Schtägge. Langsam setzen sich vier Reihen Vorträbler, Tambouren und Pfeifer in Bewegung. Drei Meter weiter ist wieder «e Druggede». Das stört aber niemanden. Rundherum ist ein Crescendo an Tönen, die sich nicht bekämpfen, sondern ergänzen. Kaum jemand verliert den tonalen Faden, auch wenn «E Gugge» paukend und dröhnend vorbeimarschiert.

Der Autor ist jetzt seit sechs Jahren bei den «Saiffibleeterli» dabei und der Vorträbler immer vorne links. An der allerersten aktiven Fasnacht hat er sich ein teuflisches Goschdym und Teufelsfratze geleistet.

«Morgeschtraich! Vorwärts marsch!»

Christian Wehrli