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Neujahrs-Nabellauf

01.01.2015

«Immer schön der Nase nach.» ist ein Tipp, der vor allem von fein- und hochnäsigen Mitmenschen geäussert wird. Wenn man mal - oder öfters - nach dem Weg fragt. Schliesslich sind männliche Körper nicht dazu gebaut, um sportlich zu laufen, Herz- und Kreislauf zu beobachten, auf die Beschaffenheit des Bodens zu achten UND sich die Richtung zu merken. Eines nach dem anderen. Aber dieser Morgen ist anders. Ganz anders.

Der erste vorsichtige Schritt aus dem Haus um halb neun Uhr morgens ist ein Schock. Es knirscht und klappert. Ersters vom gefrorenen Schnee und letzteres von den wohnzimmerwärmeverwöhnten und frisch geputzten Zähnen. Wessen coole Idee war das schon wieder? Ach ja, ein running Gag der Neubadrunners: «Morn am nüüni am Bundesplatz?»

Also wieder der Nase nach? Nein. Und nochmals NEIN. Bisher war ja der Vorbau zum Riechtum der hervorstechendste Körperteil, der meist die Richtung vorgab. Oder zurückschaute, woher wir gekommen sind. Also völlig passend zum Jahresübergang. Aber heute scheinen Peter und ich beide in der Mitte des Körpers angekommen zu sein. Denn der ehemalige nasale Wegweiser ist Geschichte. Aus und vorbei. Der Bauchnabel mit umhüllender Trommel sucht sich ab sofort seinen Weg den Berg rauf. Rund, gesund und naseweis fühlt sich heute der sonst eher zurückhaltende Nabel als Mittelpunkt der Welt. 

Nun denn. Das alte Jahr ist über den Berg. Das Neue Jahr noch unverbraucht. Also machen wir uns mal ans Werk und peilen bei der Holzbrücke den Guethof in Richtung Schönmatt an. Übrigens: bis hierher erst zwei Menschen gesichtet, bei denen nicht ersichtlich war, ob sie erst nachhause kommen oder von Zuhause gekommen sind.

Bergbeginn im Wald ist eisig. E-I-S-I-G, um exakt zu sein. Bevor wir loslaufen, senden Peter und auch ich noch kurz je ein revidiertes Testament an unsere Familien. Dann ab in den Wald mit einem Laufstil, der wahrscheinlich auf Eiern trainiert wurde. Aber siehe da, die Vorsicht verfliegt sich irgendwo, als der Wald mit Sonne getränkt und die Schneekristalle sich swarovskimässig zeigen. Ein Pfunkeln und Leuchten, als hätte jemand die Weihnachtsbeleuchtung im Wald verlegt. Und jetzt eingeschaltet. Aber es wird noch besser. Ein stahlblauer Himmel küsst den weissen Horizont, die Stille ist nicht nebst hör- auch greifbar. Das stetige Knirschen der Laufschuhe gibt den Takt vor. Eine Symphonie der Sinne. Wer sagt denn, das Leben sei im Neujahr schon sinnlos?

«Guete Morge, Béatrice. Hesch Luscht zem Laufe?» Kaum ist die SMS angekommen, steht Béatrice im knallroten Laufpulli vor uns. Na siehste - auf die Neubadrunners ist doch Verlass.

Dies ist der erste Neujahrsmorgen, der nicht von der Nacht vorher geprägt - also klopfend, dumpf, verraucht und rotäugig ist - sondern frisch die kalte Luft geniesst. Wahrscheinlich ist dies die Belohnung für eine leeres Konto an Vorsätzen. Mit Abstand ist dies einer der schönsten Neujahrsmorgen in fast sechzig Jahren Lebenslust.

Na also - geht, nein läuft doch!

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