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Das Kreuz mit dem Blues

31.01.2014

Ungewöhnliche Dinge brauchen auch ungewöhnliche Orte. Manchmal auch umgekehrt. Im Haus der Evangelischen Täufergemeinde an der Missionsstrasse tönt's bluesig-kernig aus dem Sous-Sol.

Bereits im Foyer stehen ein paar freundliche junge Menschen, die jeden Gast per Handschlag begrüssen. Welch sympathischer Konzertbeginn... das hatte ich schon lange nicht... eigentlich noch nie so erlebt. Na dann - jetzt steigt die Spannung erst recht.

Zwei Treppen weiter unten im Sous-Sol liegt der eigentliche Konzert-... nein, der Kirchenraum. Denn schliesslich ist die Evangelische Täufergemeinde hier zuhause und hat auch eingeladen. Links von der Bühne steht ein riesiges Kreuz. «Good food. Great people. Fantastic music» steht unter dem Titel «The ETG Blues» auf dem Flyer. Nun, welche der drei Angebote fallen wohl zuerst auf? Ach ja, die Begrüssung im Foyer. Good People? Yes. 

Mike Lotz, Pastor für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Täufergemeinde, hat den Bluesabend organisiert. Selbstverständlich with a little help from a friend. Willy Surbeck hat sich um den musikalischen Teil, also die Musiker, gekümmert.

Der Saal ist mit gut gelaunten Menschen gut gefüllt, auf der Bühne tummeln sich einige Musiker. Zwei Violinen, Bass, Drums, Piano und Gitarre sind bereits besetzt. Fehlt noch der Gesang. Eine junge Dame mit Hut und im Publikum sitzend sowie einem deutlich amerikanischen Akzent entert die Bühne. Andrea Iselin, the voice. Der Bassist, Willy Surbeck kündigt einige Sensationen an, die selbstverständlich zum Bleiben animieren sollen. «Good food? Ich bleibe. Das erste Set beginnt bereits verheissungsvoll, denn die Band ist zwar zusammengewürfelt, bringt aber einen unerwartet kompakten Sound zustande. Sängerin Andrea gibt den Songs eine zierliche, aber passende Stimme und viel Begeisterung mit. Dave Hohl hat seine sechssaitige Geliebte fest im Griff. Ein Vollblutgitarrist erster Güte. Bassist Willy Surbeck, Drummer Daniel Weidmann und Pianoman Sandro Balzerini legen das stabile Fundament für Spielfreude und Improvisation. Die beiden Violinen geben dem Sound den gewissen ungewohnten Kick...

Sensation Nummer 1

In den vorderen Reihen sitzt Louis van der Haegen, der Don King der Basler Bluesszene und Begründer des traditionellen Bluesfestival Basel. Neben ihm macht es sich Fred Notter, the harpman, bequem. Ebenfalls ein enorm wichtiger und erfolgreicher Mann, wenn es um die Finanzierung des Bluesfestival Basel geht. Andrea Iselin singt nicht nur, sondern wandert durchs Publikum, teils mit Gesangseinlage eines Gastes. Dann erblickt sie Fred Notter, ruft ihn auf die Bühne und Fred verschluckt sich. Scheinbar hat er sich erst Mal lieber mit der Suppe, denn mit seinem Auftritt beschäftigt. Aber wenn die Harp ruft, ist Fred nicht mehr zu halten. Zwei Songs - teils im Duell mit Gitarrist Hohl - reissen das Publikum zu begeisterndem Beifall hin. Wer sagt denn, ältere Herren hätten's nicht mehr drauf? Fred Notter hat's.

Sensation Nummer 2

Gestern noch Präsident der FDP-Fraktion im Landrat BL  Heute auf der Bühne des ETG in Basel: Daniele Ceccarelli. Mit locker umgehängter E-Gitarre bedankt er sich erst Mal lächelnd, dass er sich selbst zu diesem Abend eingeladen hat. Politik und Musik sind üblicherweise keine Paarung. Dazu ist die Politik juristisch-trocken und meist etwas humorfrei. Bei Daniele Ceccarelli hat dieser Umstand nicht ganz gegriffen. Oder er ist eher Musiker, denn Politiker. Lässig in die Saiten greifend spielt er vier Bluessongs, davon einen an eine gute Freundin damals in New York City. Aha! Jedenfalls ein erfrischender Genuss, wenn Politiker oder eben Ex-Politiker den Blues spielen können und nicht den Blues bekommen.

Sensation Nummer 3

Die letzte Sensation war von Willy Surbeck eher als unsicher angekündigt worden. «The Professor» Dale Powers würde vielleicht vorbeikommen und zeigen, was er so drauf hat. Mehr Informationen - ausser Willys leuchtenden Augen - waren nicht zu bekommen. Ein Amerikaner in Basel also, der sensationell irgendwas in Musik macht. Na dann. Ohne grossen Aufhebens sitzt plötzlich ein Mann mit Hut und spiegelnder Brille am E-Piano. Und spielt leicht, locker und begeisternd drauf los, als wäre Jerry Lee  Lewis am Piano. Jetzt wird auch dem Publikum klar, wieso sich Willy zu solchen Begeisterungsäusserungen hinreissen liess. Dale Powers wirbelt zehnfingrig durch die Klassiker des Rock'n'Roll, dass nebest den Wimpern auch die Herzen zu klimpern beginnen. Sensation? Aber klar doch.

Der ETG Bluesabend war eigentlich als Experiment gedacht und hat als professioneller Abend geendet. Das Buffet sei an dieser Stelle nicht erwähnt. Warum nicht? Nun, weil es eben genau das war, was auf dem Flyer stand: good food!

Solche Experimente sind stets und immer wieder ein Versuch wert, weil sie gradlinig erfrischend und zwanglos sind. Eine kleine und passende Anekdote am Rande. Über den Urbluesmusiker und Komponisten Robert Johnson geht das Gerücht, dass er südlich von Baton Rouge in der Mündungsregion des Mississippi an einer Strassenkreuzung seine Seele dem Teufel verkauft habe, um ein erfolgreicher Bluesmusiker zu werden.

An diesem ETG Bluesabend wurden keine Seelen verkauft, aber dieselbigen bluesig berührt.


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